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Mittwoch, 19. Januar 2005

rungis express slows down?

Frisch ausgeliefert Spitzen-Restaurants brauchen täglich exzellente Ware - dafür gibt es den "Rungis Express". Jetzt kämpft der legendäre Spezialist ums Überleben. (FASZ)

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Von Jürgen Dollase, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.01.2005, Nr. 2 / Seite 52

Der "Rungis Express", der die Gastronomie mit Spitzenprodukten aus aller Welt beliefert, hat Probleme. In Null Komma nichts kochten Gerüchte über Insolvenz und ein eingeleitetes Konkursverfahren in der vergangenen Woche hoch. Auch wenn über das Schicksal der Firma letztlich noch nicht entschieden ist: Schon heute ist absehbar, daß Rungis Express Schaden nehmen und die kulinarische Landschaft in Deutschland sich verändern wird. Fakt ist, daß am vergangenen Mittwoch noch einmal alle Bestellungen bedient wurden, am Donnerstag aber die zweite, turnusgemäße Lieferung der Woche nicht mehr zustande kam.
Was an dem Vorgang auffällt, ist ein schaler Beigeschmack. George W. Kastner, der Chef des Rungis Express, hat in den vergangenen 25 Jahren zweifellos eine wichtige Rolle gespielt im Aufschwung der deutschen Gastronomie. Zur Zeit wirkt er wie ein Opfer weitgehend sachfremder, wirtschaftlicher Interessen.
Die Geschichte des Rungis Express ist beinahe schon Legende. Ende der siebziger Jahre mußten sich die deutschen Köche, infiziert vom Nouvelle-Cuisine-Virus und seiner Maxime tagesfrischer Spitzenprodukte, ihr Material selber in Frankreich besorgen. Der Bonner Koch Karl-Heinz Wolf ("Chez Loup") begann damit, auch für einige Kollegen Ware mitzubringen. So kam es zu den sagenumwobenen Treffen auf deutschen Autobahnraststätten zwecks Verteilung der Einkäufe. 1978 gründete Wolf den Rungis Express mit seinem Freund Kastner als Geschäftsführer. Es begann ein rasanter Aufstieg, steiler, als beide es sich hatten träumen lassen. In kurzer Zeit entwickelte sich der Transportdienst für gute Produkte zum Katalysator des deutschen Küchenwunders schlechthin: Auf einmal standen selbst in Hintertupfingen die exzellenten Produkte zur Verfügung, wie sie bislang nur bei den bewunderten französischen Spitzenköchen zu finden waren. Rungis Express wurde groß und größer, geleitet von zwei patriarchalisch veranlagten Individualisten, denen die Produktqualität über alles ging. Doch als irgendwann mit dem Erfolg auch Änderungen wie etwa ein Betriebsrat einhergingen, machte die Sache Karl-Heinz Wolf keinen Spaß mehr. 1986 verkaufte er seinen Anteil an die Metro-Kaufhof-Gruppe. Dem Aufstieg tat das keinen Abbruch. Anfang des neuen Jahrtausends arbeiteten für die Marktfrische rund 600 Mitarbeiter, die mit über 150 Kühl-Lkw nicht weniger als 6000 Hotels, Restaurants und Feinkostgeschäfte belieferten. Der Rungis Express war zum international agierenden, europäischen Marktführer für Delikatessen aufgestiegen.
Zu welchem Preis? Nun, man war eben nicht mehr Herr im Hause. Kurz vor der Jahrtausendwende wurde die Firma von "Venture Capital" übernommen, einer Tochtergesellschaft der Citibank; sie sollte ganz dem Stil der Zeit entsprechend für den Börsengang fit gemacht werden. Dazu kam es nicht mehr. Meinungsverschiedenheiten zwischen alerten Management-Figuren und dem dominant agierenden Kastner nahmen zu. Der Mitbegründer sucht seit einigen Jahren einen starken Partner, bislang vergeblich. Länger schon brodelten Gerüchte von Übernahmen, zum Beispiel durch Konkurrenten wie "Deutsche See" oder dem "Frische Paradies" der Oetker-Gruppe.
Überdies veränderte sich die Struktur der gastronomischen Szene in einer Art und Weise, die Rungis Express nicht mitmachte. Vor fünfzehn Jahren reichte es völlig aus, zweimal in der Woche frische Ware zu bekommen. Inzwischen ist die Konkurrenz schärfer geworden, Unterschiede werden noch sensibler registriert. Die besten Häuser verlangen tägliche Lieferungen in makelloser Spitzenqualität, und das auch noch teilweise in für Rungis Express wenig rentablen Kleinmengen.
So gab es plötzlich etliche Konkurrenzfirmen, nicht selten unter Beteiligung ehemaliger Rungis-Mitarbeiter, die für ihre eigene Zukunft unter dem fürs Delegieren nicht geschaffenen Chef Kastner kaum Entwicklungschancen sahen.
Daher verwundert es auch nicht, daß sich den Restaurateuren in der vergangenen Woche Ersatz anbot, als die ersten Gerüchte vom Ende des Rungis Express im Umlauf waren. Einem Berliner Koch wurde sogar vorgeschlagen, er könne die Produkte unter der alten Rungis Express-Bestellnummer ordern. Andere offerierten nicht nur ihre Dienste, sondern "Umsteigern" gleich noch einen schönen Rabatt. Verwunderlich daran ist vor allem, daß sich andere Lieferanten zutrauen, aus dem Stand heraus eine große neue Kundschaft zu bedienen. Riecht das etwa nach Vorbereitung und Planung?
Und: Was für eine Bedeutung haben diese Veränderungen für den Gast? Mehr, als es zunächst den Anschein hat. Kastner ist einer der wenigen echten Spezialisten seines Gewerbes, so reich an Erfahrung, daß er schlechte Qualität ebenso entlarvt wie die Tricks mancher Erzeuger, die Fisch-Kiemen mit Ochsenblut präparieren, weil leuchtend rote Kiemen als Frischemerkmal gelten. Zu befürchten ist, daß ohne ihn und seinesgleichen unter dem akuten Kostendruck der Gastronomie das erklärte Ziel nicht mehr Spitzenqualität, sondern das preislich und qualitativ Machbare ist. Schon ist unter Köchen von der "desolaten Lage auf den Großmärkten" und der "Feilscherei um jeden Preis" die Rede. Wenn es um gute Produkte geht, ist vor allem eins notwendig: Sachkenntnis. Es ist zu hoffen, daß sich für Rungis Express eine Lösung findet.

http://www.rungis-express.de/

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orthorexie musste ich erst
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by plautze (23.08.18, 23:10)
sahra wiener erzaehlt jetzt
grade im radio ueber orthorexie, haha.
by mutant (17.08.18, 12:54)
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by mutant (20.04.18, 00:13)
der juergen dollase, der hat
ja sooo recht! http://blogs.faz.net/blogseminar/wir-brauchen-dringend-eine-hochschule-fuer-kochkunst/
by mutant (28.02.17, 14:22)
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